„Und plötzlich erzählt
Dir jemand – nachdem Du Dein ganzes Leben lang gehört hast, dass
Bäume grün sind, sie seien rot.“
Bericht
über mein Austauschjahr in den Vereinigten Staaten von Amerika mit
dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP).
Mein
Name ist Laura Lütt, ich bin achtzehn Jahre alt und wohne in
Cuxhaven. Mithilfe des Parlamentarischen Patenschafts-Programms vom
Deutschen Bundestag und Amerikanischen Kongress habe ich das
vergangene Schuljahr in Detour Village, Michigan, verbracht. Es war
eine für mich lebensverändernde Erfahrung, über die ich gerne
berichten will.
Bekanntermaßen
ist eine der einflussreichsten Kräfte unserer Zeit die
Globalisierung. Wir rücken enger zusammen auf dieser Welt – auf
unzähligen Gebieten. Um die bedeutungsvollsten zu nennen: Wirtschaft
und Politik, insbesondere die Lösung transnationaler Probleme, wie
Finanzen, Sicherheit und Umweltbelange sowie Armut und Gesundheit der
Weltbevölkerung.
Trotz
der vermeintlichen Nähe, die aufgrund von schnelleren Reise- und
Kommunikationswegen entstanden ist, besteht der Planet immer noch aus
unterschiedlichen Völkern mit noch verschiedeneren Kulturen. Um eine
reibungslose Zusammenarbeit gewährleisten zu können, müssen nicht
nur die verschiedenen Sprachen, sondern auch Verhaltensweisen
„übersetzt“ werden. Dieses ist natürlich nur möglich, wenn
jemand die Gepflogenheiten in den entsprechenden Ländern kennt und
sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden auseinandergesetzt
hat. Das Ziel meiner Ausführungen dürfte bereits ersichtlich sein:
Damit wir als globale Gesellschaft funktionieren, brauchen wir
Experten, die zwischen den Ländern vermitteln können. Aufgrund
dessen sollte das Interesse junger Menschen an anderen Nationen
gefördert werden. Der nächste Schritt in die richtige Richtung ist
die Unterstützung von Programmen, die es Schülern und Studenten
ermöglichen, einen Austausch zu machen. Denn hierbei handelt es sich
nicht nur um eine persönliche Erfahrung, sondern um einen Beitrag
der weite Kreise zieht.
Das
waren noch nicht die Gedanken, die ich mir im August 2011 gemacht
hatte, als ich mich für das Stipendium des Parlamentarischen
Patenschafts-Programms bewarb. Für mich stand zuerst das Erlebnis
der amerikanischen Kultur und das weitere Erlernen der Sprache im
Vordergrund, bevor ich mir über den ganzen Effekt des
Austauschjahres bewusst wurde. Natürlich hatte ich schon jahrelang
davon geträumt, einmal in den Vereinigten Staaten leben zu dürfen,
doch die beachtlichen Kosten sowie die Vorstellung, ein Jahr von
meinem gewohnten Umfeld entfernt zu sein, hielten mich zunächst
davon ab, ernsthafte Unternehmungen zu diesem Thema aufzunehmen.
Im
Jahr 2009 bekam ich dann die Möglichkeit, ein Vierteljahr bei einer
Gastfamilie in der französischsprachigen Schweiz zu verbringen.
Deren Tochter kam im Frühjahr zu uns, und im Spätsommer machte ich
mich auf den Weg an den Genfer See. Ich erlebte eine sehr schöne
Zeit, doch mein „Auslandshunger“ war noch lange nicht gestillt.
Die
USA waren von jeher schon ein widersprüchliches, aber trotzdem –
oder vielleicht gerade deshalb – interessantes und faszinierendes
Land für mich. Auf das PPP wurde ich durch meine Eltern aufmerksam,
die mich seit jeher bei all meinen Bestrebungen ins Ausland zu gehen
unterstützt hatten. Mit nicht all zu viel Hoffnung füllte ich die
umfangreichen Bewerbungsunterlagen aus, die mir von der Kölner
Austauschorganisation Partnership International zugeschickt wurden,
aus bzw. ließ sie von den zuständigen Personen wir Ärzten, Lehrern
und Eltern vervollständigen.
Einige
Zeit später wurde ich dann zu einem Auswahlgespräch nach Hamburg
eingeladen. Dort traf ich dann einige andere Mitbewerber, von denen
ich den Eindruck gewann, sie hätten sich schon viel intensiver mit
dem Thema Austausch auseinandergesetzt als ich. Bevor das eigentliche
Interview begann, wurde schon über Organisationen und Stipendien
gefachsimpelt, von denen ich noch nicht einmal gehört hatte. Doch es
zählte nur das Hier und Jetzt, und ich beschloss, das Beste aus
meiner Chance zu machen. Natürlich war ich nervös, aber ich konnte
ein solides Wissen über die Vereinigten Staaten und die
deutsch-amerikanischen Beziehungen vorweisen, sowie mit meiner
Diskussionsfreude zum Gespräch beitragen. Ich ging mit einem guten,
doch nicht zu guten Gefühl nach Hause.
Einige
Zeit später – im Januar – flatterte dann der heiß ersehnte
Umschlag ins Haus: Ein Brief von Partnership International, in
welchem mir zum Erhalt des Stipendiums gratuliert wurde. Damit
verbunden war auch die Ankündigung des Vorbereitungsseminars in
Würzburg, welches im Mai stattfand. Während dieser Woche lernte ich
rund 60 andere PPPler kennen und lernte viel über das bevorstehende
Jahr. Wir diskutierten ausgiebig über Politik und Weltgeschehen, und
ich freute mich sehr darüber, endlich mal einen so großen Kreis an
Menschen kennenzulernen, die ähnliche Interessen haben wie ich.
Ebenso beschäftigten uns ähnliche Gedanken im Vorlauf des
Austausches, weshalb schnell sehr enge Freundschaften entstanden, die
auch während des Auslandsjahres sowie heute noch intensiv bestehen.
Die gemeinsame bzw. vergleichbare Erfahrung verbindet einfach und ich
denke, manche Dinge können nur von anderen Austauschschülern
nachvollzogen werden.
Ein
weiteres Thema der Vorbereitungswoche war der Antrag für das Visum.
Das Ausfüllen der Unterlagen war zwar etwas kompliziert – zudem
ist es fraglich, wer denn die Frage nach dem Betreiben von
terroristischen Aktivitäten und Menschenhandel bejahen würde –
aber die Erlangung des Visums selbst war nicht so schwer. Meine
Eltern und ich hatten uns dazu entschieden, nach Frankfurt zu fahren,
da die Terminlage in Berlin bekanntlich eher schlechter ist. Ich
konnte das Konsulat nach gut einer Stunde – inklusive Anstehen und
Sicherheitskontrolle sowie Gesprächen mit den Beamten – bereits
wieder verlassen.
Mittlerweile
waren alle Formalitäten soweit geklärt – bis auf die wichtigste:
Meine Gastfamilie. Ein paar Tage vor Abflug veranstaltete ich eine
kleine Abschiedsfeier mit meinen engsten Freunden und während des
Abends erreicht mich die E-Mail, dass eine passende Familie für mich
gefunden wurde. Die Familie Galarowic besteht aus Sara, Jeff und dem
damals 9-jährigen Wyatt sowie Hund Gree und wohnt in einem
325-Einwohner-Ort am Huronsee in Michigan. Kanada ist eine Stunde
entfernt, ebenso der nächste größere Ort mit
Einkaufsmöglichkeiten. Ob es sich bei der Abgeschiedenheit um einen
Nachteil handelte, werde ich später noch diskutieren.
Einige
Tage später saß ich nach langem Hin und Her, was denn wirklich
mitgenommen werden muss, endlich auf gepackten Koffern. Meine Eltern
brachten mich morgens am 17. August nach Hamburg und verabschiedeten
mich am dortigen Flughafen. So schlimm war das für mich eigentlich
nicht – die Vorfreude auf das, was kommen sollte, war einfach
größer als der Abschiedsschmerz. In Frankfurt traf ich dann auch
die anderen Austauschschüler wieder und wir bereiteten uns gemeinsam
auf unseren Flug nach Chicago O'Hare vor.
Sicherheitscheck
und offizielle Einreise in die USA waren nicht ganz so kompliziert,
wie ich es mir ausgemalt hatte. Von Chicago in Illinois (welches eine
beeindruckende Skyline hat) ging es dann weiter nach Grand Rapids in
Michigan – der Flug dauerte bloß 45 Minuten und ging über den
Michigansee, der aus der Vogelperspektive sehr schön anzusehen war.
Dort, wo sich in Michigan nicht einer der rund 11.000 Seen befindet,
ist meistens Wald. Im Zielstaat angekommen, wurden wir von einem
Repräsentanten von der Organisation FLAG abgeholt – Tim Swope. Er
war bereits nach Würzburg gekommen, um uns dort auf unser Jahr
vorzubereiten und auch während des Austausches war er für unsere
Betreuung zuständig. Tim ist ein unglaublich netter Mensch, hat für
alles ein offenes Ohr und erledigt seinen Job sehr gewissenhaft.
Ben, ein PPPler der auch nach Detour Village kommen sollte, und ich
übernachteten bei Familie Swope (ich war bis zu diesem Zeitpunkt
bereits 48 Stunden wach). Am nächsten Tag ging es dann los auf die
sechsstündige Fahrt „up North“, also von der unteren auf die
obere Halbinsel Michigans.
Abends
dort angekommen, traf ich das erste Mal meine Gastfamilie. Es ist
schon eine beeindruckende Vorstellung, dass eine Familie jemanden
mehr oder weniger zufällig aussucht und für zehn Monate wie sein
eigenes Kind behandeln möchte, ohne dafür den geringsten
finanziellen Ausgleich zu bekommen. Es ist toll, dass es solche
Menschen gibt und ich bin meiner amerikanischen Familie zutiefst
dankbar dafür.
Sara
ist Lehrerin an der örtlichen Schule und Trainerin des
Volleyball-Teams, zu dem ich dann selbstverständlich auch gleich
dazugehörte. Ich muss dazu sagen, meine Fähigkeiten in diesem Sport
liefen zu Beginn des Jahres gegen null, aber mir wurde ans Herz
gelegt, in den Staaten neue Dinge auszuprobieren, welches ich auch
gern tun wollte. Wir haben jeden Tag trainiert und dazu kamen noch
die Spiele und Turniere und zum Ende der Saison hatte ich mich stark
verbessert. Zudem sind die Mädchen im Team meine Freunde geworden –
Sport verbindet. Allerdings liegt das auch daran, dass fast alle
Mädchen in dem Alter in diesem und dann später auch im
Basketball-Team waren.
Unsere
Schule war ja bloß sehr klein. Neben den knapp 50 Schülern der High
School tummelten sich gut 150 Kinder der Middle und Elementary School
sowie des Kindergartens in dem Schulgebäude. Eigentlich ist jeder
mit jedem befreundet (oder zumindest sollte versucht werden, sich mit
jedem zu verstehen). In unserem Jahrgang waren wir 18 Schülerinnen
und Schüler, wovon fünf Austauschschüler waren: Ein Thailänder,
ein Vietnamese, ein Schotte und Ben und ich aus Deutschland. Zwei
Wochen nach unserer Ankunft begann der Unterricht und bis dahin
kannte ich schon die halbe Schule – einerseits vom Sport,
andererseits weil Detour ein so kleiner Ort ist, in dem neue Menschen
sofort auffallen und meistens auch mit offenen Armen empfangen
werden.
Landschaftlich
ist es dort übrigens sehr schön. Im Sommer kommen einige Touristen,
aber im Winter wenn auch mal -30°C herrschen und bis Muttertag
Schnee fällt, kann es doch etwas einsam werden. Dann drückt die
Abgeschiedenheit doch ein wenig auf das Gemüt, da es doch etwas
langweilig werden kann, doch ansonsten würde ich die Lage von Detour
am östlichen Ende der Upper Peninsula nicht unbedingt als negativen
Aspekt meines Austausches sehen. Natürlich muss man sich erst einmal
an die stundenlangen Autofahrten gewöhnen, selbst wenn man nur zu
McDonald's oder ins Kino möchte.
Doch
die Menschen halten hier zusammen, man ist füreinander da. Das
Engagement der Eltern in der Schule ist beispielsweise um einiges
größer als in Deutschland. Ein eindrucksvolles Beispiel resultierte
aus einem schrecklichen Unfall. Am Tag nach der Beerdigung ihres
Großvaters verunglückte der Vater meiner besten Freundin schwer bei
einer Explosion auf seinem Grundstück auf Drummond Island. Diese
Insel liegt direkt vor Detour und ist durch eine Fähre angebunden
und die Kinder gehen in Detour zur Schule. Bei dem Unglück wurde
Mike schwer verbrannt und musste erst mit dem Boot zum Festland, um
von dort weiter mit einem Hubschrauber zu einem Krankenhaus gebracht
zu werden. Er wurde aufgrund der Schwere seiner Verletzungen sofort
zum Klinikum der University of Michigan geflogen und musste dort
einige Monate auf der Intensivstation verbringen. Glücklicherweise
hat er überlebt, und die Familie hatte viel Unterstützung von der
Gemeinde. Zum Beispiel haben wir in der Schule Kuchen und Kekse
verkauft, die die Einwohner von Detour und Drummond gebacken haben
oder es wurde ein Benefiz-Dinner veranstaltet, bei dem es auch eine
Auktion gab. Der Erlös – mehrere tausend Dollar – kam der
Familie zugute. Bei so etwas legen die Amerikaner ein Engagement und
eine Selbstverständlichkeit an den Tag, die ich in Deutschland so
nicht kannte.
Die
Schule in den USA ist für deutsche Austauschschüler generell eher
ein Ort, um Freunde zu finden als zu lernen. Zum einen, weil der
Fokus in dem Jahr eher auf dem Erleben der Kultur liegen soll, zum
anderen, weil der Anspruch in amerikanischen Schulen weit unter denen
eines deutschen Gymnasiums liegt. Das liegt daran, dass alle
gemeinsam zur High School gehen und nicht nach Leistung unterschieden
wird – es wird höchstens auf Kurse verschiedener Leistungsstufen
aufgeteilt. Von daher ist man manchmal schon etwas überrascht von
dem Wissensstand mancher Mitschüler. Besonders natürlich, was
Europa und Deutschland angeht – oder eigentlich alles, was
außerhalb der Vereinigten Staaten liegt. Selbst die Nachrichten im
Fernsehen sind sehr stark auf inneramerikanische Dinge konzentriert,
weshalb man über manche Fragen nicht schockiert sein darf, obwohl
man gerne lauthals loslachen würde. Meine Mitschüler bekundeten
viel Interesse an meiner Heimat, aber es fehlt ihnen oft halt einfach
die Möglichkeit, sich aus erster Hand über das Ausland zu
informieren. Dort versuchte ich, Abhilfe zu schaffen. Ich hielt
beispielsweise Präsentationen, kochte typisch deutsche Gerichte wie
Kartoffelpuffer, Schnitzel oder Kalter Hund (welcher es ihnen sehr
angetan hatte) für meine Freunde und Verwandten oder brachte ihnen
meine Heimatstadt in Bildern näher. Ebenso versuchte ich auch, noch
beim gefühlt tausendsten „Und, wo gefällt es dir besser, in
Deutschland oder Amerika?“, noch ruhig und gelassen zu erklären,
dass die beiden Länder so nicht einfach zu vergleichen sind und die
Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.
Im
September, also ca. einen Monat nach meiner Ankunft, besuchte uns die
erste Austauschschülerin meiner Gastfamilie – Nina aus Österreich.
Sie blieb für eine Woche und es war interessant, von ihren
Erlebnissen zu hören, welche sie ja im gleichen Umfeld gemacht
hatte. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und mittlerweile habe
ich sie diesen Sommer sogar in Wien besucht, wo sie studiert. Ich
finde es super, dass ich durch den Austausch auch Freunde in anderen
Ländern (und nicht nur dem Gastland) dazugewonnen habe – Nina ist
nur ein Beispiel.
Neben
Volleyball habe ich auch Basketball ausgeübt, welches mit Abstand
die beliebteste Sportart an meiner Schule war. Der ganze Ort ist zu
den Spielen der Mannschaften gekommen und der Teamgeist sowie die
Stimmung waren unbeschreiblich. Hier liegt der Vorteil, wenn Sport
wettkampfmäßig durch Schulmannschaften betrieben wird. Allerdings
ist dann natürlich die Auswahl nicht so groß und die Saison dauert
nur ein paar Monate. Das ist natürlich anders in Deutschland, wo wir
in Sportvereinen ein größeres Angebot haben.
Im
Frühjahr gab es dann auch endlich Leichtathletik, die ich ja in
Deutschland schon seit ca. zehn Jahren betreibe. Aufgrund von zu viel
Training hatte ich mir aber leider „shin splints“ zugezogen –
zu Deutsch Schienbeinkantensyndrom. Deshalb muss ich seitdem leider
mit dem Laufen pausieren und habe mehr Zeit im Kraftraum verbracht.
Während
der Frühlingsferien sind meine Gastfamilie, eine Freundin von mir
und ich nach Washington, D.C., gefahren – sie hatten sie und mich
dazu eingeladen. Während des ganzen Jahres über hat meine
amerikanische Familie sehr oft die Kosten für Dinge übernommen, die
ich eigentlich selbst zahlen sollte und wollte. Doch sie sehen mich
als ihre Tochter und wollten sich das nicht nehmen lassen. Auf dem
Weg dorthin haben wir in Detroit und Somerset übernachtet, auf dem
Rückweg in Toledo und Saginaw. Washington ist eine faszinierende
Stadt, und auch nach einer Woche habe ich sicherlich nur einen
Bruchteil kennengelernt. Man befindet sich einfach im Zentrum der
Macht der Vereinigten Staaten von Amerika und es ist ein
unglaubliches Gefühl, die ganzen Monumente, das Weiße Haus sowie
das Kapitol in echt sehen zu können. Natürlich gab es auch andere
Dinge zu sehen, wie die Smithsonian Museen und das Ford Theater. Man
konnte auf jeden Fall merken, dass diese Stadt nicht einfach so
entstanden ist, sondern geplant wurde – beispielsweise das
U-Bahn-Netz ist sehr übersichtlich. Alles ist ordentlich und auch in
der Innenstadt ziemlich sauber. Am ergreifendsten fand ich die
Besuche des Arlington Nationalfriedhof und der
Vietnamkrieg-Gedenkstätte. Bei letzterem sprach jemand meinen
Gastvater an, der früher für die Air Force Nuklearwaffen bewacht
hatte. Er trägt immer ein Baseballcap der Air Force, weshalb dieser
junge Mann in der Menschenmenge stehenblieb, ihm die Hand schüttelte
und sich bei ihm für seinen Dienst bedankte. Jeff sagte mir später,
dass dies ab und zu vorkomme, doch ich fand es an diesem Ort sehr
ergreifend, obwohl kein direkter Zusammenhang bestand. Amerikaner
haben eine ganz andere Beziehung zu ihrem Militär als wir Deutschen,
doch in dieser Situation fühlte ich mich paradoxerweise sehr
amerikanisch.
Ich
würde nicht sagen, dass ich einen richtigen Kulturschock erfahren
habe. Aufgrund unseres jungen Alters können wir Austauschschüler
uns noch ziemlich schnell und gut an die neuen Gegebenheiten
anpassen. Doch manchmal musste ich mich schon neu orientieren und
meine Wertvorstellungen überdenken. Dieses doch sehr komplizierte
Gefühl habe ich versucht auf eine einfachere Ebene zu übertragen,
indem ich mir das Beispiel mit dem roten und grünen Baum überlegt
habe. Man muss einfach akzeptieren, dass es andere Kulturen gibt, und
darauf vorbereitet sein, dass dort andere Regeln herrschen.
Es
gibt noch so viele Erfahrungen, von denen ich hier gerne berichten
würde. Ich bin unglaublich glücklich darüber, diesen Austausch
gemacht zu haben, denn ich habe nicht nur über Amerika gelernt,
sondern auch ganz viel über mich selbst. Besonders gefallen hat mir
die „Wir-schaffen-das-Mentalität“ der Amerikaner, die positive
Herangehensweise. Ende Juni diesem Jahres sind wir wieder in
Deutschland gelandet, und ich bin froh, dass ich diesem Land lebe.
Wir haben hier einen Standard, den man nicht immer angemessen
schätzt, zum Beispiel was die soziale Sicherheit, die Bildung oder
das Gesundheitssystem angeht. Nichtsdestotrotz könnte ich mir
jederzeit wieder vorstellen, nochmal ins Ausland zu gehen. Ich bin
gereift in dem vergangenen Jahr und viel erwachsener geworden. Ich
freue mich auf die Zukunft, und habe nicht das Gefühl, mich irgendwo
einordnen zu müssen. Wieso auch? Was sind wir? Deutsche? Amerikaner?
Im Grunde genommen sind wir doch auch alle gleich. Um es mit den
Worten des Künstlers Sting zu sagen: „We share the same biology –
regardless of ideology.“
Zu
guter Letzt möchte ich mich beim Deutschen Bundestag –
insbesondere bei Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär
und MdB – und beim amerikanischen Kongress bedanken, dass sie
dieses Programm ins Leben gerufen haben und weiterhin unterstützen.
Mir wurde eine unbezahlbare Erfahrung ermöglicht. Ebenso danke sagen
möchte ich für die Arbeit der Austauschorganisationen Partnership
International und Foreign Links Around The Globe, von denen ich mich
sehr gut betreut gefühlt habe, sowie meiner Familie, die mich bei
diesem und allen anderen Vorhaben in meinem Leben immer unterstützt
hat. Der Dank gilt auch meiner amerikanischen Familie sowie meinen
Freunden dort.
Laura
Lütt
Sauber Lütt.
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